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Kolumne

Standorte – zukünftige Erfolgsfaktoren

Während heute noch Infrastruktur und Erreichbarkeit auf den ersten Plätzen der Agenda stehen, werden in Zukunft andere Faktoren für Städte, Gemeinden, Landkreise und Regionen wichtiger werden.

11/2020

Die Welt ist voller Zeichen und Signale. Gerade im Straßenverkehr dienen sie uns als Orientierung. So bedeutet uns das rote Licht der Ampel, dass wir anhalten müssen. So weit, so trivial. Auf den zweiten Blick jedoch signalisieren uns beispielsweise Autokennzeichen nicht nur grob den Herkunftsort der Automobilisten, sondern sie werden bisweilen intuitiv auch auf deren Eigenschaften projiziert, in scherzhafter, ironischer oder auch spöttischer Weise.

Aber selbst abseits jeglicher Boshaftigkeit interpretiert und assoziiert unser Gehirn unterschiedliche Images, Werte und Haltungen je nach Autokennzeichen. Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob ich ein „M“ für München wahrnehme oder ein „Z“ für Zwickau. Im Juni dieses Jahres, als die Corona-Pandemie die Schlachterei Tönnies in RhedaWiedenbrück (Landkreis Gütersloh) erreichte, wurde gar „GT“ für Gütersloh zum Risikofaktor für die jeweiligen Autobesitzer. Die Konnotation der Autokennzeichen ist ein populäres Beispiel für die Einschätzung von Orten und deren Bewohnern. Und selbstverständlich ist sie auch ein ganz kleines Element von Standortmarketing, allerdings ein besonders hartnäckiges, öffentliches und deshalb bedeutsames. Obendrein ist es ein kaum steuerbares Element und in seinem Charakter ausgesprochen emotional. Womit wir denn auch schon bei den beiden wesentlichen Elementen des Standortmarketings angekommen wären: Emotionalität und die Kraft des Faktischen.

Dass man sich an beiden Elementen trefflich die Zähne ausbeißen kann, wird jede ehrliche Standortmarketerin und jeder aufrichtige Standortmarketer bestätigen. Erschwerend kommt hinzu, dass es niemanden an einem Standort gibt, der sich nicht mit dieser Materie auskennt – der zumindest im tiefsten Inneren von dieser Selbsteinschätzung überzeugt ist. Das Dumme daran: In den Anfangsjahren nach einem Zuzug loben die meisten Zugereisten ihren Standort in den höchsten Tönen, dann allmählich wird alles immer schlechter. Stuft man also Einwohner als „Vertriebsmannschaft“ ein, dann ist für Städte und Gemeinden Vorsicht geboten. So einfach ist die Sache nicht und vor allem dürfen sich Verantwortungsträger nicht darauf verlassen. Oft gilt ein Schlagloch in der Wohnstraße als Beurteilungskriterium für den gesamten Standort: „Hier ist doch alles marode“, heißt es dann.

Dabei sind die wahren Umschlagplätze für Innenmarketing an allen Standorten die Wartezimmer der Ärzte, die Bedientheke im Lebensmittelhandel und natürlich die Friseursalons. Hier und in den sozialen Medien finden Indikationen solcher Art heute gleichsam subkutan statt. Kontrolle? Steuerbarkeit? Fehlanzeige!

Für die Einwohnerinnen und Einwohner zählen mehr denn je die kleinen Dinge. Überschaubar soll es sein! Heimelig, gemütlich und sicher – lauten denn auch die neuen Ideale. Biedermeier 21 eben. Urbane Weltläufigkeit rückt spätestens seit Corona in den Hintergrund und muss der Sehnsucht nach dem heilen Leben auf dem Lande Platz machen. Von dort aus kann man dann ja mit 5G usw. in die weite Welt. Kann man in Deutschland zwar meistens nicht, aber könnte ja eines Tages kommen.

Für eine Standort-Verwaltung sieht die Sache meistens ein wenig anders aus! Hier geht es um Zukunftsfragen wie Klimawandel, Mobilität und deren Infrastruktur, Versorgung und Frequenz. Soziodemografische Aspekte, die sich nicht in Fremdenfeindlichkeit erschöpfen, und Demografie stehen da ebenso auf dem Programm wie Erreichbarkeit und Digitalisierung.

All das sind selbstverständlich auch sehr wichtige Fragen für die Prosperität von Standorten, nicht selten geraten diese Diskussionen in den Gremien aber unter öffentlichen Druck und können dann nicht mehr in einer Gründlichkeit geführt werden, wie das angemessen wäre. Standortmarketing ist mancherorts zu einem Drei-Jahres-Programm heruntergekommen und hat seine Bedeutung gerade neuerdings zugunsten ambitioniert geführter Investitions- und Haushaltsdebatten eingebüßt.

Das kann freilich nicht gut gehen und wie in jedem Unternehmen, so muss auch in jedem Gemeinwesen die Frage nach der Zukunft und einer dafür geeigneten Strategie ganz oben auf der Agenda stehen. Und niemandem kann es gleichgültig sein, welchen Impetus ein Standort ausstrahlt. Ganz besonders gilt dies für Klein- und Mittelstädte mit 50/60000 Einwohnern, aber auch für Regionen, die beispielsweise den Tourismus für sich entdecken oder entwickeln wollen. Die Emotionalität des Standorts muss in den Betrachtungen Priorität haben! Ich erlebe es immer wieder, dass vor Ort geglaubt wird: Man brauche ja nur einen Investor, der ein tolles Hotel hierhin baut, und dann kämen die Touristen von alleine. Weit gefehlt! Eine Region, die es nie gelernt hat, mit Gästen freundlich umzugehen und deren Tradition darin besteht, Maschinen zu bedienen, wird es kaum schaffen, erfolgreich Tourismuswirtschaft zu etablieren. Da können die Wanderwege noch so zertifiziert sein und die Preise noch so attraktiv, emotional unfertige Konzepte führen bei Gästen zu der Aussage: Einmal und nie wieder!

Von außen mit erfahrenen Leuten Fremdbilder zu erzeugen, ehrlich festzustellen, was ein Standort emotional leisten kann und was nicht, wie entwicklungsfähig er ist und wie kreativ – all das sind wesentliche Elemente des Standortmarketings. Man muss es immer wieder sagen: Die Taktung des ÖPNV ist kein emotionales Kriterium für Standortattraktivität! Klar, dass man sich beispielsweise im Raum Stuttgart an den S-Bahn-Anschlüssen orientiert, wer will schon die Hälfte seines Lebens im Stau verbringen? Aber im suburbanen Raum oder gar in ländlichen Gebieten ist das völlig schnuppe. Standortattraktivität sind hier Freiheit, menschliches Maß, Nahversorgung, Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung usw. Ja, und hier findet auch Kultur statt! Wenngleich das nicht die großen Schaubühnen dieser Welt sind, aber vielleicht haben diese ja auch ausgedient. Standortmarketing wird sich an der einzigen Frage festmachen: Kann es mir hier, heute und in Zukunft gut gehen? Nein, es wird nicht mehr die Frage gestellt werden: Kann ich hier Erfolg haben? Standorte werden Antworten geben müssen auf die Frage nach dem Wohlbefinden. Demzufolge werden nicht nur Sehnsuchtsprofile der unterschiedlichen Zielgruppen bedeutsam sein, sondern im Wesentlichen emotionale Faktoren, die „Erfolge“ erst möglich machen. Dabei gehen wir sicher einer Epoche entgegen, die „Erfolg“ neu definiert. Standorte müssen lernen, nicht mehr nur in Zahlen, Daten und Fakten zu denken.

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